Sachbericht für das Verbundprojekt
Rob‐aKademI: Generierung robuster Steuerungs‐Algorithmen für Roboter aus der Physiksimulation mittels Methoden der Künstlichen Intelligenz zur hochflexiblen, variantenreichen Montage in „Losgröße 1“
Ausführende Stelle: Walter Meile GmbH elektrotechnische und elektronische Fertigung (WAM)
Projektleitung bei WAM: Daniel Deininger
Förderkennzeichen: 01IS20009H
Laufzeit: 01.07.2020 bis 31.12.2022 (inkl. sechsmonatiger, kostenneutraler Laufzeitverlängerung)
Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01IS20009H gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren Arik Lämmle (Fraunhofer IPA) und Daniel Deininger (Walter Meile GmbH)
Unternehmen in Deutschland müssen in einem zunehmend globalisierten Wettbewerb, sinkende Stückzahlen wirtschaftlich produzieren können. Dieser Wandel von Massenproduktion hin zur Massenpersonalisierung ist bislang – insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) – nur in manueller Produktion wirtschaftlich durchführbar. Nicht selten werden daher Produktionskapazitäten deutscher KMUs in Niedriglohnländer verlagert. Das Rob‐aKademI Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht elementare Forschungs‐ und Entwicklungsarbeiten zu leisten, um in Zukunft KMUs einen einfacheren Einstieg in die Automatisierung zu ermöglichen. In diesem Kontext umfasst die Aufgabenstellung des Rob‐aKademI Projekts folgende Kernpunkte:
- Die nicht‐wertschöpfende Tätigkeit der Roboterprogrammierung ist äußerst zeitaufwändig, insbesondere bei hochfrequenten Produktwechseln. Die Roboterprogrammierung soll weitestgehend automatisch durch Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) erfolgen, sodass die dafür benötigte manuelle Zeit drastisch reduziert wird.
- Für die Programmierung ist weiterhin hohe Expertise nötig, auch um kostenintensive Fehler zu vermeiden. Die Verlagerung der Roboterprogrammierung an eine KI‐Entität mildert dieses Problem deutlich ab. Zudem wird für das Training eine digitale Simulationsumgebung genutzt, so dass keine Schäden an Mensch und Maschine entstehen.
- Bei Montage in geringer Losgröße kann das Roboterprogramm nicht wie bei der Massenproduktion üblich kontinuierlich verbessert werden. Trainierte Roboterprogramme müssen entsprechend von Beginn an mit Ungenauigkeiten und Toleranzen umgehen können. Hierfür werden geeignete Techniken des Maschinellen Lernens untersucht und eingesetzt, um robuste Roboterprogramme zu erzeugen.
- Die in diesem Projekt entwickelten Technologien werden am Fraunhofer IPA anhand von zwei Anwendungsfällen demonstriert 1) Reihenklemmenmontage im Schaltschrankbau und 2) die feinfühlige Montage elektrischer Schalter.
Anwendungsfall 1 wurde dabei durch den Konsortialpartner Walter Meile GmbH und Anwendungsfall 2 durch den Konsortialpartner Käpple Qualitätsleister GmbH & Co KG als Endanwender begleitet. Beide Partner unterstützten die Technologieentwicklung nicht nur durch ihre umfassende Expertise in Bezug auf die adressierten Anwendungsfälle, sondern auch durch individuelle Konstruktionen, Hilfsmittel und Bauteile.
Weitere Partner im Konsortialprojekt waren das Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart, micropsi industries GmbH, Dresden Elektronik Ingenieurtechnik GmbH und TruPhysics GmbH.
Für die Entwicklung der Rob‐aKademI Technologie knüpften die Mitarbeitenden des Fraunhofer IPA an den aktuellen Stand der Technik in drei Themenfelder an. Am Fraunhofer IPA wurde die Kombination aus Simulationen und Maschinellem Lernen bereits für das Training eines Roboterarms zum sicheren Berühren eines Ziels, das Trainieren eines Greifsystems sowie die Entwicklung einer Simulationsumgebung zum Trainieren eines Orientierungsschätzers von Objekten durchgeführt. Dazu wurde insbesondere auf die in der KI‐Community weit verbreitete Physiksimulation MuJoCo zurückgegriffen. Aktuellste Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, insbesondere des Reinforcement Learnings wurden für das Training der Roboter verwendet, so beispielsweise die beiden Lernalgorithmen Soft Actor‐Critic und Twin Delayed Deep Deterministic Policy Gradient 1. Um die Komplexität der Roboterprogrammierung weiter zu verringern, werden Produktionsprozesse häufig in kleinere Schritte unterteilt. Diese Teilschritte ermöglichen es, die Aufgabe des Roboters mittels einzelner Bausteine, sogenannter Roboterskills zu beschreiben und auszuführen. Hierdurch kann ein hoher Grad an Flexibilität der erstellten Roboterprogramme erreicht werden. Die am Fraunhofer IPA entwickelte Software pitasc 2 ermöglicht die Skill‐basierte Programmierung von Robotern für komplexe und kraftgeregelte Bewegungen in Kontaktsituationen. Hiermit können Roboterprogramme unter Angabe von Rahmenbedingungen insbesondere für die Montageautomatisierung umgesetzt werden, z.B. für Einfügevorgänge.
Das Ziel des Rob‐aKademI Lösungsansatzes ist die Verlagerung nicht‐wertschöpfender Tätigkeit an eine KI‐Entität. Die entwickelte Technologie basiert auf drei Komponenten:
- Simulationsumgebung mit Physiksimulation, um die Produktionsprozesse realitätsnah abzubilden und ausreichend Daten für das Training zu generieren,
- Hybrid Machine Learning Framework (HMLF) für die Steuerung der Roboter in der Simulationsumgebung sowie das eigentliche Training und
- Lernmodule, um das Expertenwissen über die Montageprozesse zu kapseln.
Um die Entwicklungsziele zu erarbeiten, wurde das Vorhaben in sieben Arbeitspakete (APs) untergliedert. In den Arbeitspaketen AP2 bis AP4 wurden die Technologien entwickelt. AP2 diente der Erweiterung der Simulationsumgebung um Funktionalitäten für die realitätsnahe Abbildung der zwei Zielprozesse. AP3 wiederum hatte die Entwicklung des Hybrid Machine Learning Frameworks zum Ziel, um Robotern effektiv die Ausführung der Produktionsprozesse in der Simulationsumgebung anzutrainieren. In AP4 wurden am Fraunhofer IPA die zwei Lernmodule „Kraftgeregeltes Fügen“ und „Schnappverbindungen“ entwickelt. Diese beinhalten jeweils prozessspezifische Erweiterungen der Simulationsumgebung und Machine‐Learning‐ Algorithmen. In AP5 wurden zwei dedizierte physikalische, roboter‐basierte Versuchsstände entwickelt (davon einer am IPA), um das in der Simulation trainierte Verhalten in der Realität testen zu können. Die Funktionalität der entwickelten Lernmodule wurden in AP6 zunächst evaluiert und abschließend validiert. Flankiert wurden die wissenschaftlich‐technischen Entwicklungsarbeiten durch die technische und administrative Projektleitung sowie weitere Managementtätigkeiten in AP1 sowie Kommunikations‐ und Verbreitungsaktivitäten in AP7.
Die Mitarbeitenden des Fraunhofer IPA konnten die gesetzten Entwicklungsziele erfolgreich realisieren und die anspruchsvolle, kraftgeregelte Montage elektrischer Reihen‐klemmen und Schalter demonstrieren. Dabei lassen sich selbst zahlreiche Varianten an Reihenklemmen prozesssicher montieren und Ungenauigkeiten und Toleranzen in beiden Prozessen über industriell typische Bereiche sicher kompensieren. Insbesondere im Bereich des simulationsbasierten Trainings flexibler Roboterskills konnten zentrale wissenschaftliche Erfolge verzeichnet werden. Durch zielgerichtete Erweiterungen der Simulations‐umgebung war es den Mitarbeitenden des Fraunhofer IPA dabei möglich die Zielprozesse mit hoher Präzision zu simulieren und anschließend Roboterprogramme zu trainieren. Die umfangreichen wissenschaftlichen Ergebnisse und Erkenntnisse wurden in einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen auf international renommierten Konferenzen und Journals eingebracht. Auch der allgemeinen Öffentlichkeit konnten die Errungenschaften mit einem eindrucksvollen Demonstrator auf der Automatica Fachmesse, einem Podcast‐Beitrag sowie in zahlreichen Veröffentlichungen nähergebracht werden.
1 https://spinningup.openai.com/en/latest/algorithms/sac.html & https://spinningup.openai.com/en/latest/algorithms/td3.html
2 https://www.pitasc.fraunhofer.de/